Michael Wieser | © Erzberg Leoben | Manfred Wegscheider Michael Wieser | © Erzberg Leoben | Manfred Wegscheider

Der Meister der Steine

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  • Kultur & Brauchtum
Michael Wieser ist Goldschmied aus Leidenschaft. Im Interview erzählt er von seiner Karriere, seinen Lieblingssteinen und warum er dem Ruf aus Dubai widerstanden hat.

Die Werkstatt des Michael Wieser im ersten Stock seiner Goldschmiede lässt erahnen, wie viel Geschichte in der Goldschmiedearbeit liegt. „Schon die alten Sumerer haben manche von diesen Werkzeugen benutzt“, erklärt Wieser lächelnd. Das Lächeln übrigens behält er in unserem ganzen Gespräch bei. Man hat den Eindruck, mit einem Mann zu reden, der für sein Leben genau die richtige Aufgabe gefunden hat und durch und durch glücklich ist. Dabei wäre alles anders gekommen, wäre Wieser seinem ursprünglichen Plan als Jugendlicher gefolgt. „Elektriker wollte ich werden. Also bat ich meinen Vater, mich mit dem Auto zum Büro des Stromkonzerns Steweag zu bringen.“ Aber damals, meint er, wäre alles noch ein wenig anders gewesen als heute. Damals redeten die Väter noch ein wichtiges Wörtchen mit bei der Berufswahl ihrer Söhne. „Und mein Vater entschied: Wir fahren nirgendwo hin“, schmunzelt Wieser. Welch ein Glück im Nachhinein. Stattdessen kam Wieser in der Goldschmiede in der Abtei Seckau unter. Dort wurden ihm, trotz seiner Jugend, außergewöhnlich verantwortungsvolle Aufgaben übertragen. „Sogar die Inventur der Edelsteine!“ Noch heute ist Wieser dankbar für dieses Vertrauen, das ihm die Möglichkeit gab, den Beruf in all seinen Facetten zu erlernen. Über einen Umweg nach Wien kam er nach Leoben, wo er vor 35 Jahren sein Geschäft und die Werkstatt eröffnete. Und seither beständig führt. „Beständigkeit ist ein Wesen dieses Berufs. Die Werkzeuge, die Materialien, all das bleibt. Und als Nische wird es uns immer geben.“ Wie lange er an seinen Schmuckstücken arbeitet, fragen wir. Manchmal ginge es schnell, aber es gäbe auch Stücke, an denen er hundert Stunden arbeite.

 

„Meine Inspirationsquellen sind die Steine selber“ - Michael Wieser

Inspiration

„Meine Inspirationsquellen sind die Steine selber“, erklärt Wieser. „Meistens sehe ich den Stein und weiß, was ich machen will – was nicht heißt, dass ich nicht die Scheu hätte, während des Entstehungsprozesses noch etwas zu ändern. Aber die Ideen kommen mir auch, wenn ich im Bett liege oder wenn ich auf dem Hochsitz sitze. Das ist auch eine gute Quelle, im Grünen, in der Ruhe. Momentan habe ich einen Stein, der hat mich einfach angesprochen, den musste ich kaufen, und ich wusste, dass der eine Challenge wird. Mittlerweile hab ich da schon ein halbes Heft ausgezeichnet. Aber
jetzt habe ich einen Plan.“ Auf die Frage nach einer esoterischen Dimension der Steine oder der Heilkraft von Steinen, meint er: „Ich glaube, dass wir uns nicht alles erklären können. Allerdings ist bestimmt was dran.“ Was der „mächtigste“ Stein wäre, fragen wir. Wieser überlegt lange. „Mächtig? Das weiß ich nicht. Aber vor Diamanten habe ich Respekt. Immerhin sind sie Millionen Jahre alt.“ Einen Lieblingsstein hat er aber auf jeden Fall: „Der Opal!“ Der sei faszinierend, empfindlich, wandlungsfähig. Und: Mit dem sei es oft wie in einem „Krimi“, da könne es einige Monate dauern, dass er genau den Opal bekäme, den er für ein bestimmtes Schmuckstück brauche. „Und dann wird dir zwei Wochen später ein ganz ähnlicher angeboten“, lacht er. Einige Monate warten? Selbst bei Auftragsarbeiten? Würden da die Kunden nicht die Geduld verlieren? „Nein“, erklärt er, denn seine Stücke wären für die Ewigkeit. Überhaupt habe er eine große Nähe zu seinen Kunden: „Wenn ich den Kunden oder die Kundin kenne, ist das schon die halbe
Miete.“

Reichtum

„Ich bin so froh, dass ich meine Frau habe“, erklärt er, „denn sie ist die Geerdete. Ich bin ja mehr der Überflieger.“ Denn wenn er sich etwas in den Kopf setze, etwa einen bestimmten Stein kaufen wolle, sei er kaum zu stoppen. Aber genau deshalb könne er Aufträge annehmen, die andere nicht machen
könnten. Wie sehr hier ein Mann vor einem sitzt, der in der Arbeit seine Erfüllung findet, merkt man anhand folgender Geschichte: „Ich habe einmal eine Schmuck-Computermaus gemacht, die Tasten fasste ich mit Brillanten ein. Das hat ein Bekannter gesehen, der Kontakte nach Dubai hatte. Der meinte, ich solle drei oder vier solcher Mäuse machen, das wäre in Dubai sofort zu verkaufen. Und ich dachte: Mah, super, Dubai, lässig, und das bringt bestimmt viel Geld. Und dann lag ich in der Nacht im Bett und dachte: Will ich eigentlich in meinem Leben Mäuse machen? Nein, vergiss es!“ Wieser will lieber kreativ sein, handwerklich tätig sein. Und stolz auf seine Arbeit. Und: „Einmal kam nach dem Opernball eine Kundin und meinte: Herr Wieser, ich hatte das schönste Schmuckstück vom Ball! Das freut einen schon.“ Ob junge Menschen sein Handwerk heute noch schätzen würden, fragen wir? Wieser bejaht. Billiger Modeschmuck wäre keine Konkurrenz für ihn. Jungen Menschen wäre durchaus bewußt, dass sein Schmuck ein Werk für Generationen sei. Bekannt wäre er mittlerweile im In- und Ausland, vor allem auch dank der Montanuniversität. Es gäbe Absolventen der Uni, die ihre Eheringe bei ihm kaufen, und viele Jahre später, wiederkämen, um erneut ein schönes Geschenk auszusuchen. Und Wieser ist sich seiner Verantwortung bewusst: „Unsere Stücke werden vererbt. Über Generationen.“