Forschungszentrum für Wasserstoff und Kohlenstoff | © Montanuni Leoben | Harald Tauderer Forschungszentrum für Wasserstoff und Kohlenstoff | © Montanuni Leoben | Harald Tauderer

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  • Kultur & Brauchtum
Die Energiewende stellt uns vor große Herausforderungen. Dipl.-Ing. Robert Obenaus-Emler, Leiter des Resources Innovation Center (RIC) Leoben der Montanuni, kennt die Lösungen dafür. Ein Interview.

Explore: Leoben beherbergt mit der Montanuniversität eine Universität mit Weltruf. Derzeit befasst man sich intensiv mit dem Thema, Wasserstoff als Energieträger für die Zukunft. Was genau wird in diesem Bereich in Leoben erforscht?

Die Montanuni beschäftigt sich bereits seit mehreren Jahrzehnten mit Forschungsfragen rund um das Thema Wasserstoff. Tatsächlich war aber eines der ersten Themen nicht die Nutzung von Wasserstoff als reiner Energieträger, sondern die Anwendung von Wasserstoff als Reduktionsmittel für die Herstellung von Roheisen beziehungsweise Stahl aus Eisenerz. Damals, um etwa 1990, konnte im Labormaßstab gezeigt werden, dass Wasserstoff das Potenzial hat, Kohlenstoff zu ersetzen. Damit verbunden ist eine deutliche Reduktion prozessbedingter Emissionen in der Stahlherstellung im Vergleich zur herkömmlichen Route in integrierten Hüttenwerken, also über die Hochofenroute. Bis heute haben sich zahlreiche weitere Möglichkeiten zur Nutzung von Wasserstoff in unterschiedlichsten Anwendungen herauskristallisiert. Seit 2020 bündelt die Montanuni die Forschungsaktivitäten rund um die beiden Elemente Wasserstoff und Kohlenstoff im strategischen Kernforschungsbereich SCoRe A+ Hydrogen and Carbon. Hier forschen derzeit etwa 120 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an unterschiedlichsten Themen entlang des gesamten Wertschöpfungskreislaufes der beiden Elemente von der Herstellung, über Transport und Lagerung bis hin zur Anwendung von Wasserstoff und Kohlenstoff.

„Wasserstoff bietet einen Vorteil bei schweren Fahrzeugen und großen Reichweiten, also zum Beispiel für Schwerlastverkehr, Flugverkehr oder Schiffsverkehr.“

Versuche in Laboratorien gibt es ja schon seit längerer Zeit – jetzt gibt es aber dafür ein eigenes Forschungszentrum. Wie wirkt sich diese Einrichtung auf die Forschung aus? Das neu errichtete Forschungszentrum für Wasserstoff und Kohlenstoff stellt einen Meilenstein in der Skalierung wesentlicher Technologien vom Labormaßstab in Richtung einer industriellen Umsetzung dar. Der Schwerpunkt der Forschungsaktivitäten liegt dabei in unterschiedlichen Verfahren zur Herstellung von Wasserstoff und Kohlenstoff, die vollständige stoffliche Nutzung von Biomassereststoffen, materialwissenschaftliche Fragestellungen zur Speicherung und zum Transport von Wasserstoff sowie die Anwendung von Wasserstoff in der Metallurgie und zur Synthese von Energiemolekülen. Darüber hinaus beschäftigt sich die Montanuni auch mit der stofflichen Nutzung von Kohlenstoff in metallurgischen Prozessen und als Legierungselement sowie die Anwendung von Kohlenstoff in der Landwirtschaft als Bodenhilfsstoff zur Erhöhung der Trockenstressresilienz von Nutzpflanzen. Mit Hilfe der im Forschungszentrum umgesetzten Versuchsanlagen im Pilotmaßstab können wesentliche Erkenntnisse für die weitere Skalierung gewonnen und somit wesentliche Fragestellungen für das Design einer Anlage im industriellen Maßstab beantwortet werden. Die Montanuni leistet hier gemeinsam mit ihren Industriepartnern einen wesentlichen Beitrag zur raschen und zielgerichteten Implementierung von nachhaltigen Zukunftstechnologien mit dem Potential zur Reduktion von Emissionen und zur effektiven Nutzung von Ressourcen.

Sie sprechen von verschiedenen Verfahren zur Herstellung von Wasserstoff - an der Montanuniversität beschäftigt man sich mit der so genannten ‚Pyrolyse‘ - vielleicht können Sie uns erklären wie die Abläufe funktionieren?

Unter Pyrolyse versteht man die Spaltung von Verbindungen bei hohen Temperaturen. Die Montanuni forscht an der Methanpyrolyse, also der Spaltung von Methan in Wasserstoff und festen Kohlenstoff. Derzeit wird Wasserstoff fast ausschließlich über Dampfreformierung unter Freisetzung von etwa 10 bis 12 Kilogramm CO2 pro Kilogramm Wasserstoff hergestellt. Eine alternative Technologie zur Herstellung von
Wasserstoff ist die Wasserelektrolyse, die bei Nutzung von erneuerbarer Energie einen geringen CO2-Fußabdruck ermöglicht. Allerdings ist dafür ein relativ hoher Energieaufwand notwendig. Im Vergleich zu den beiden zuvor genannten Verfahren zeichnet sich die Methanpyrolyse dadurch aus, dass Wasserstoff mit einem deutlich geringeren CO2-Fußabdruck als durch Dampfreformierung und mit deutlich geringerem Energieaufwand als durch Wasserelektrolyse hergestellt werden kann. Bei der Methanpyrolyse, wie sie an der Montanuni erforscht wird, kann mit der gleichen Menge an erneuerbarer Energie etwa vier bis fünf Mal so viel Wasserstoff im Vergleich zur Elektrolyse hergestellt werden. Der bei der Methanpyrolyse resultierende Wasserstoff hat allerdings eine geringere Reinheit und kann daher ohne entsprechende Gasaufbereitung vor allem für die industrielle Anwendung, zum Beispiel in der Metallurgie, eingesetzt werden. Derzeit ist kein Verfahren zur Herstellung von Wasserstoff durch Methanpyrolyse im industriellen Maßstab mit entsprechendem technologischem Reifegrad bekannt. Neben der eigentlichen Methanpyrolyse forscht die Montanuni an der Gesamtprozesskette der Methanpyrolyse inklusive Abtrennung von Kohlenstoff aus dem Produktgas sowie dessen Aufbereitung zu Wasserstoff mit entsprechendem Reinheitsgrad. Zusätzlich wird dabei auch fester Kohlenstoff gewonnen, der zusätzlich zahlreiche interessante Anwendungen möglich macht.

Die Montanuniversität Leoben

Seit ihrer Gründung hat die Montanuniversität Leoben ihr Profil in mehreren Phasen geschärft und positioniert sich heute als Universität für „Responsible and Circular Systems“ mit Expertisen in ihren Kernbereichen „Advanced Resources“, „Smart Materials“ und „Sustainable Processes“. Die Kernkompetenzen der Montanuniversität Leoben erstrecken sich dabei entlang der „Zirkularität von Systemen“ vom Rohstoff über das fertige Produkt bis zum Recycling. Dabei verfügt sie als nahezu einzige Universität in diesen Kernthemen über eine geschlossene Wissensbasis. Während ursprünglich die technologischen Entwicklungen im Kontext des Gewinnens, Veredelns und Verarbeitens von Ressourcen primär durch ökonomische Zielsetzungen getrieben wurden, steht heute an der Montanuniversität das Entwickeln neuer innovativer „Grüner Technologien“, welche dem Ansatz von ökologischer und sozioökonomischer Nachhaltigkeit im Sinne von „Responsible and Circular Systems“ gerecht werden, im Vordergrund. Es gilt dabei, massiv an der Entwicklung neuer Technologien und Produkte zu arbeiten, um die Rohstoff- und Energieversorgung nachhaltig, ökologisch vertretbar, zuverlässig und leistbar zu gestalten.

Facts & Figures
• 1840 als Steiermärkisch-Ständische Montanlehranstalt gegründet
Studienfächer: Bergwesen und Hüttenwesen
• 1904 zur Montanistischen Hochschule erhoben
• 1910 Hauptgebäude in der Franz Josef-Straße neu eröffnet
• Nach Kriegsende stetiger Anstieg der Hörerzahlen und der
Studienrichtungen
• Departments und Lehrstühle: 13 Departments, 42 Lehrstühle
• Wissenschaftliche Mitarbeiter*innen: 997
• Allgemeines Personal: 399
• Studierende: 2869, davon 757 Frauen und
666 internationale Studierende

Was ist das Ziel dieser Initiative - werden unsere Autos in Zukunft mit Wasserstoff betrieben, braucht man dazu eigene große Tanks?

Die Methanpyrolyse stellt eine interessante Brückentechnologie zur großvolumigen Herstellung von Wasserstoff mit geringem CO2-Fußabdruck dar. Die Anwendung von Wasserstoff in der Mobilität erfolgt derzeit hauptsächlich zur Umwandlung in elektrische Energie mittels Brennstoffzelle, wofür allerdings eine hohe Reinheit von Wasserstoff notwendig ist. Hier ist nach derzeitigem Stand der Entwicklung die Wasserelektrolyse das richtig Herstellverfahren. Ob unsere Autos in Zukunft mit Wasserstoff betrieben werden, hängt aber auch noch von anderen Faktoren ab. Grundsätzlich lässt sich aber festhalten, dass für individuelle Mobilitätskonzepte batterieelektrische Fahrzeuge derzeit die energieeffizienteste Variante darstellen, sofern die Größe und Reichweite der Fahrzeuge den häufigsten Bedürfnissen – also kleine PKWs mit geringer Reichweite – angepasst werden. Wasserstoff, beziehungsweise damit hergestellte Energiemoleküle, bieten einen Vorteil bei schweren Fahrzeugen und großen Reichweiten, also zum Beispiel für Schwerlastverkehr, Flugverkehr oder Schiffsverkehr. Tatsächlich benötigt man für die Anwendungen von Wasserstoff in der Mobilität eigene Konzepte für die Speicherung. Derzeit kommen Tankkonzepte auf Basis von hohem Druck bei 350 oder 700 bar zum Einsatz. Die Montanuni forscht an alternativen Konzepten wie zum Beispiel der Speicherung von Wasserstoff in nanoporösem Kohlenstoff bei deutlich geringerem Druck mit ähnlichen Speicherdichte.

Eine Frage noch - kann man mit dem Wasserstoff dann auch ganze Industrieanlagen, die hohe Prozesstemperaturen brauchen - wie etwa die voestalpine - damit betreiben?


Grundsätzlich eignet sich Wasserstoff als Energieträger für die Transformation von Industrieprozessen, welche nicht sinnvoll durch die direkte Nutzung von elektrischer Energie umgestellt werden können. Dies betrifft insbesondere Prozesse, welche hohe Temperaturen benötigen. In der metallurgischen Industrie kann Wasserstoff aus der Methanpyrolyse großindustriell einerseits stofflich für die Reduktion von Eisenerzen genutzt werden oder aber auch als Energieträger für Hochtemperaturprozesse dienen. Die Montanuni forscht derzeit gemeinsam mit der voestalpine und der K1 Met am Einsatz von Wasserstoff für die Wasserstoff- Plasma-Schmelzreduktion. Mit Hilfe dieser Technologie wird es in Zukunft möglich sein, Stahl mit geringem CO2-Fußabdruck herzustellen. Die dafür benötigte große Menge an Wasserstoff kann durch Methanpyrolyse unter Verwendung erneuerbarer elektrischer Energie hergestellt werden.

Die Studienrichtungen

Insgesamt können an der Montanuniversität 13 Bachelorstudien und 25 Masterstudien absolviert oder ein Doktorat in jedem der Fachbereiche erworben werden. Die Absolvent*innen sind aufgrund ihrer Ausbildung auf der ganzen Welt gefragt und bestens auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet.

Es wird ein vielfältiges Studienangebot mit einer einzigartigen Ausrichtung in deutscher und englischer Sprache in den vier Studienbereichen geboten:

• Advanced Resources
Rohstoffe und Energie nachhaltig gewinnen und nutzen
• Sustainable Processes
Effiziente Verfahren für eine nachhaltige Produktion
entwickeln
• Smart Materials
Neue Werkstoffe designen und Materialeigenschaften
verbessern
• Responsible Consumption and Production
Circular Engineering von Rohstoff
bis Recycling interdisziplinär
umsetzen