Heukuppe und Predigtstuhl
Neuberg an der MürzNaturjuwele sind besondere Lebensräume in der Kulturlandschaft, Einzelschöpfungen der Natur und kulturhistorische Besonderheiten.
In den 7 steirischen Naturparken gibt es insgesamt 27 Naturjuwele. Alle diese Naturschönheiten liegen an Wanderwegen, sind daher zu Fuß erreichbar und frei zugänglich. Natürlich begleiten Sie unsere Natur- und LandschaftsführerInnen gerne und geben Ihnen Einblicke in die Welt der Naturphänomene, der besonderen Pflanzen- und Tierwelt, die ihre Lebensräume an diesen Orten gefunden hat.
Landschaftsschutzgebiet 16 – Ennstaler und Eisenerzer Alpen
- Heukuppe: 551742,9 E bzw. 5281967,2 N
- Predigtstuhl: 553185,3 E bzw. 5282775,8 N
- What3Words Heukuppe: ///halbes.betraute.engel
1800 m – 2007 m
Preiner Gscheid
Auf die Heukuppe, die zum Raxstock gehört, gibt es zahlreiche Wege. Ab dem Preiner Gscheid sind Heukuppe und Predigtstuhl über den Siebenbrunnen Kessel und das Karl-Ludwig-Haus am einfachsten zu erreichen.
Karl-Ludwig-Haus
Waxriegelhaus
Juni bis Oktober
Mittel, bis in den Siebenbrunnen Kessel leicht
2,5 Stunden (6 km)
Heukuppe und Predigtstuhl liegen im steirisch-niederösterreichischen Grenzgebiet. Die Talorte sind Altenberg an der Rax im Südwesten, Reichenau an der Rax im Südosten und Hinternaßwald im Norden.
Die beiden Gipfel gehören zum Bergstock der Rax, die wiederum zu den nordöstlichen Kalkalpen gehört. Sie sind aus Wettersteinkalk und Wettersteindolomit aufgebaut– somit liegt ein basisches Ausgangsgestein vor.
Die höchste Erhebung ist die Heukuppe mit 2007 m Seehöhe. Der Predigtstuhl ist mit 1902 m Seehöhe etwas niedriger. Gemeinsam mit Schneeberg und Schneealm gehören sie zu den östlichsten hochalpinen Vorposten der Kalkalpen vor dem Übergang zum Wiener Becken und der pannonischen Ebene.
Die Lebensräume auf Heukuppe und Predigtstuhl liegen in der alpinen Stufe mit ihrem typischen Klima: Hohe Sonneneinstrahlung im Sommer, insgesamt kurze Vegetationsperiode, die immer wieder von stärkeren Abkühlungen samt Schneefall unterbrochen werden kann, starke Winde und tiefe Fröste im Winter, wobei Teile der höchsten Lagen, je nach Geländemorphologie schneebedeckt oder auch abgeblasen und damit schneefrei sind. Schneefreie Vegetation bedeutet für die Pflanzen eine besondere Herausforderung vor den tiefen Frösten im Winter.
Die Vegetation lässt sich in acht Biotoptypen untergliedern. Aufgrund der engen Verzahnung der Lebensräume ist die Abgrenzung nicht immer einfach.
Folgende Typen treten in diesen hohen Lagen auf:
- Offener Hochgebirgs-Karbonatrasen
- Geschlossener Hochgebirgs- Karbonatrasen
- Staudenreicher Hochgebirgsrasen
- Nacktried-Windkantenrasen
- Karbonat-Schneetälchen
- Zwergstrauchheiden der Hochlage auf Karbonat (Bestand der behaarten Alpenrose und der Gämsheide über Karbonat)
- Karbonatfelswand der Hochlagen
- Karbonat-Schuttflur der Hochlagen
Bei einer Vegetationsdecke mit einer Deckung von weniger als 70 % spricht man von einem offenen Rasen.
Die Rasen auf Kalk sind sehr artenreich und werden vielfach von Polster-Segge (Carex firma), Rost-Segge (C. ferruginea), Kalk-Blaugras (Sesleria caerulea), Quirlblatt-Läusekraut (Pedicularis verticillata), Österreich-Kranzenzian (Gentianella austriaca) – ein Endemit der nordöstlichen Kalkalpen –, Echt-Wundklee (Anthyllis vulneraria), Stängellos-Leimkraut (Silene acaulis) – eine Polsterpflanze –, Petergstamm (Primula auricula), Alpen-Grasnelke (Armeria alpina), Sternlieb (Bellidiastrum michelii), Edelweiß (Leontopodium alpinum), Filz-Brandlattich (Homogyne discolor) und Sumpf-Herzblatt (Parnassia palustris) gebildet. Die teilweise hier vorkommenden polsterförmig wachsenden Pflanzen zeigen die Kälte- und Windausgesetztheit an.
Ab einer Vegetationsdecke mit einer Deckung von über 70% wir der Rasen als „geschlossen“ bezeichnet. Hier kommen die gleichen Arten wie in obigem Biotoptyp vor, aber auch Horst-Segge (Immergrün-Segge, Carex sempervirens), Clusius-Enzian (Gentiana clusii), Kalk-Felsen-Fingerkraut (Potentilla caulescens), Niedrig-Enzian (Gentiana pumila) – ebenfalls ein Endemit der nordöstlichen Kalkalpen – und Alpen-Moosfarn (Selaginella selaginoides).
In etwas nährstoffreicheren, tiefgründigeren Bereichen kommen Alpen-Lieschgras (Poa alpina), Alpen- Ruchgras (Anthoxanthum alpinum), Kalk-Blaugras, Horst-Segge, Alpen-Lieschgras (Phleum rhaeticum), Alpen-Küchenschelle (Pulsatilla alpina), Echt-Seidelbast (Daphne mezereum), Parlatore-Staudenhafer (Helictotrichon parlatorei) und Alpen-Sonnenröschen (Helianthemum alpestre) vor.
In den besonders windgeprägten Bereichen, also an Kanten und Rücken, gedeihen beinahe ohne winterlichen Schneeschutz Nacktried (Kobresia myosuroides), Alpen-Straußgras (Agrostics alpina), Zwerg-Mutterwurz (Ligusticum mutellina), Quirlblatt-Läusekraut (Pedicularis verticillata), Crantz-Fingerkraut (Potentilla crantzii), der purpurblütige Alpen-Süßklee (Hedysarum hedysaroides), Wimper-Mannsschild (Androsace chamaejasme), Stängellos-Leimkraut und Steinraute (Weiße Schafgarbe, Achillea clavennae).
Im Bereich von Mulden und Tälchen mit langer Schneebedeckung in schattiger Lage und entsprechend kurzer Vegetationszeit (1–3 Monate) treten folgende Arten auf: Ostalpen-Schafgarbe (Achillea clusiana), Mannsschild-Steinbrech (Saxifraga androsacea), Österreich-Alpenglöckchen (Soldanella alpina), Norisch-Labkraut (Galium noricum), Alpen-Mastkraut (Sagina saginoides) – ein weißblütiges Nelkengewächs –, Östliche Gletscher-Gamswurz (Doronicum galciale subsp. calcareum) und Österreich-Glockenblume (Campanula pulla) – wiederum zwei Endemiten der nordöstlichen Kalkalpen.
Die extrem windausgesetzten Rücken dominiert die Gemsheide (Loiseleuria procumbens), und an kaum windexponierte Stellen kommen Wimper-Alpenrose (Rhododendron hirsutum), Preiselbeere (Vaccinium vitis-idaea), Alpen-Bärentraube (Arctostaphylos alpinus), Schwarz-Krähenbeere (Empetrum nigrum), Zwerg-Alpenrose (Rhodothamnus chamaecistus), Waldstein-Weide (Salix waldsteiniana), Ostalpen-Weide (Salix alpina) und Kriech-Thymian (Thymus praecox) vor.
Die Felswände sind meist nur in den Felsspalten von höheren Pflanzen besiedelt, der nackte Fels ist nicht ganz nackt, sondern hier stellen Flechten die Erstbesiedler dar.
Von den Gefäßpflanzen besiedeln Clusius-Fingerkraut (Potentilla clusiana), Sternhaar-Felsenblümchen (Draba stellata), Alpen-Blasenfarn (Cystopteris alpina), Zwerg-Glockenblume (Campanula cochleariifolia), Felsen-Kugelschötchen (Kernera saxatilis) – ein weißblütiger Kreuzblütler–, Steinschmückel (Petrocallis pyrenaica) – ein rosablütiger Kreuzblütler–, Felsen-Baldrian (Valeriana saxatilis), Klein-Strahlensame (Heliospermum pusillum), der Endemit Rax-Glockenblume (Campanula praesignis) und Mauer- Streifenfarn (Asplenium ruta-muraria) den kargen Lebensraum.
Als letztes sei noch die Karbonat-Schuttflur als Biotoptyp erwähnt, wie sie im Südhang der Heukuppe in einer Doline vorkommt. Hier siedeln unter anderen Netz-Weide (Salix reticulata), Knöllchen-Knöterich (Persicaria vivipara), Felsen-Kugelschötchen, Einblüten-Simse (Juncus monanthus) und Zwerg-Glockenblume.
Der exponierte Gipfelbereich zeichnet sich durch kurzrasige, flachgründige und stetigem Wind ausgesetzte alpine Rasen aus, die sehr pflanzenartenreich sind. Hier finden sich die zoologisch bedeutsamen Vorkommen randalpiner, endemischer Arten wie beispielsweise jenes der Zylinder-Felsenschnecke (Cylindrus obtusus) aus der Familie der Schnirkelschnecken – sie kommt weltweit nur in Österreich vor.
Häufiger und weiter verbreitet ist die Gefleckte Schnirkelschnecke (Arianta arbustorum). Daneben bewohnen die Alpine Gebirgsschrecke (Miramella alpina) und der Bunte Grashüpfer (Omocestus viridulus) zahlreich die Matten.
Wesentlich auffälliger sind große Herden von Gämsen. Steinadler (Aquila chrysaetos), Alpen-Schneehuhn (Lagopus muta) und Birkhuhn (Lyrurus tetrix) sind prominente Vertreter der Vogelfauna.
Etwas weiter unten in den nach Süden orientierten Flanken der Heukuppe finden sich sonnige, weniger windanfällige, wärmebegünstigte Areale, in denen eine Vielzahl wirbelloser Arten einen geeigneten Lebensraum findet.
Eine Charakterart ist der Alpen-Apollofalter (Parnassius phoebus). Beispiele für Heuschreckenarten sind die Rote Keulenschrecke (Gomphocerippus rufus), der Nachtigallgrashüpfer (Chorthippus biguttulus) und die Alpen-Strauchschrecke (Pholidoptera aptera).
Hier finden sich auch die bevorzugten Jagdgebiete der Bergeidechse (Zootoca vivipara) und der Kreuzotter (Vipera berus). Die schwarze Farbvariante der Kreuzotter wird als „Höllenotter“ bezeichnet.